Ende Mai 2021 verlängerte die Europäische Union erneut ihre einseitigen wirtschaftlichen Strafmaßnahmen gegen Syrien. Die erstmals im Frühsommer 2011 beschlossenen Sanktionen der EU treffen jeden Lebensbereich: Ölindustrie, Finanzsektor, Transport- und Kommunikationswesen, Wiederaufbau, Gesundheitsversorgung und vieles mehr. Nahrungsmittel, Medizin und medizinische Ausrüstung sind nach EU-Angaben von den Strafmaßnahmen befreit, doch die Wirklichkeit sieht anders aus.
Unternehmen aus dem westlichen Ausland liefern nicht, weil sie Angst haben, mit Syrien zu handeln. Die EU-Sanktionen ergänzen sich mit verschiedenen von den USA über die Jahre hin erlassenen Sanktionen gegen Syrien. Auch arabische Nachbarländer wie Libanon und Jordanien fallen unter das Sanktionsregime, sollten sie Geschäfte mit Syrien machen. Syrische Geschäftsleute, die in den Nachbarländern einkaufen wollen, dürfen nicht einreisen, bereits vereinbarte Lieferungen werden gestoppt.
Bild o.a. Die Pistazienbauer Mohamed und Jasser Kazim appellieren im September 2020 an die deutsche Bevölkerung die Sanktionen aufzuheben. Er wolle noch den Leuten in Europa und insbesondere in Deutschland etwas sagen, fügt er hinzu: »Bitte tun Sie etwas, damit die europäischen Sanktionen gegen Syrien aufgehoben werden. Diese Bestrafung schadet den Leuten, nicht der Regierung. Alle Syrer müssen darunter leiden. Wir wollen leben und arbeiten, unsere Häuser wieder aufbauen. Helfen Sie, damit die Sanktionen aufgehoben werden.« Während er spricht, wird Jasser still und stützt seinen Kopf in die Hände. Als er wieder aufblickt, stehen ihm Tränen in den Augen. Mehr dazu unter: https://leukefeld.net/?p=1216
Inzwischen stehen 283 Einzelpersonen aus Syrien auf der EU-Sanktionsliste, darunter auch alle Minister, die seit 2011 der Regierung angehörten. Weiter sind 70 Unternehmen betroffen, darunter staatliche Unternehmen der Öl- und Bauwirtschaft. Auch die Syrische Zentralbank steht auf der Sanktionsliste, damit ist Syrien praktisch vom internationalen Geldmarkt abgeschnitten.
Die Länder, die einseitig Sanktionen gegen Syrien verhängen, sind reiche Industrienationen des Westens und deren Partner. Einseitige Sanktionen werden nicht vom UN-Sicherheitsrat verhängt, der eine Sanktionspolitik seit den katastrophalen Folgen von Sanktionen im Irak nicht mehr verhängt hat.
Für die reichen westlichen Industrienationen sind diese einseitigen Strafmaßnahmen inzwischen ein integraler Mittel der Außenpolitik. Betroffene Länder wie China und Russland reagieren inzwischen entsprechend ebenfalls mit Strafmaßnahmen.
In Syrien kommen die westlichen einseitigen Strafmaßnahmen einem Wirtschaftskrieg gleich. Das ist gewollt, denn wirtschaftliche Strafmaßnahmen zerstören das betroffene Land ebenso wie ein Krieg. Für die Länder, die sie einsetzen, sind sie allerdings weniger verlustreich, als würden sie Soldaten schicken.
Text und Bilder: Karin Leukefeld, 30.06.2021